Der Geist des Alten als Fundament des Neuen
Anders als die traditionellen Vorbilder haben die Häuser des neuen Kulturhofs keine Dachüberstände, sondern sind monolithische Baukörper. Einerseits gibt ihnen das ein modernes Gesicht, andererseits ist diese Idee auch Ergebnis einer Auseinandersetzung mit der lokalen Baukultur. „Wir haben festgestellt, dass die öffentlichen Gebäude in Berchtesgaden, wie das Rathaus, das Schloss oder die Kirche, alle keinen Überstand haben – und da haben wir die Idee vertreten, dass wir das auch am Kulturhof so machen“, resümiert Kohlmeier. Außerdem will der Grünen-Politiker Wimmer enkeltauglich bauen, sorgsam mit Natur-Ressourcen umgehen und so regional wie möglich arbeiten. Schnell fällt die Entscheidung für Holzbauten. Ein Drittel des Holzes stammt aus seinem eigenen Wald, musste aufgrund des Eschesterbens sowieso geschlagen werden und wird in einem lokalen Sägewerk verarbeitet. Bei der Energieversorgung setzt Wimmer auf Solarpaneele und eine Hackschnitzelheizung, das Regenwasser wird rückgewonnen. Und dann hat er noch einen ganz besonderen Wunsch: Er will den Geist des alten Hotel Geiger in den Kulturhof mitnehmen. Das Gemäuer der Ruine wird gereinigt und zermahlen und so zu einer neuen Bauressource, die in Fundament und Wege eingegossen wurde. Der Kulturhof baut im wortwörtlichen Sinn auf der Geschichte des Geländes.
Raum für Begegnung
Den Planenden war es wichtig, viele Situationen für Begegnung und Interaktion zu erschaffen. Am Kreuzungspunkt der Wege liegen Bar und Biergarten, die mit zwölf Meter langen Bänken ausgestattet sind und es unmöglich machen, sich nicht dazuzusetzen. Nischen, Sitzstufen und Plätze laden zum Plausch ein, im Veranstaltungssaal treten lokale und internationale Künstler und Musiker auf, es gibt Handwerker- und Kulinarikmärkte, Sommerfeste und Weinverkostungen. Was es nicht gibt: brummenden Klimaanlagen und Fernseher – die schönste Sicht liegt sowieso hinterm Fenster. Bei manchem Detail hat sich Wimmer auch von Erinnerungen aus seiner Kindheit inspirieren lassen. „Meine Familie hatte ein kleines, ländliches Gasthaus, bei dem immer ein Maibaum aufgestellt wurde und wo die Kinder fernab von der Straße spielen konnten. Die Eltern saßen im Biergarten - und hatten die Kinder trotzdem immer im Blick.“ Der Spielplatz des Kulturhofs liegt in Sichtweite des Biergartens.
Immer dynamisch in Bewegung
Auf dem Gelände werden Kräuter und ein paar Gemüsesorten angepflanzt, Wimmer hat zuletzt ein 24 Hektar großes Nachbargrundstück dazugekauft, mit dem der Nutzpflanzen-Anbau erweitert werden soll. Einige der selbst gezogenen Produkte landen jetzt schon auf den Tellern der Kulturhof-Gastronomien, etwa bei den Gästen des Solo Du. Das Restaurant ist in dem Raum untergebracht, der eigentlich das Kartenspielzimmer hätte werden sollen. Darauf weist noch der Name hin, der eine besondere Spielart beim Schafkopf bezeichnet. Dass hier heute vor allem mit der Kulinarik gespielt wird, hat das Blatt allerdings zum (noch) Besseren gewendet. Das Solo Du hat sich gerade seinen ersten Michelin-Stern erkocht. Bartholomäus Wimmer freut sich für den engagierten Küchenchef Zsolt Fodor, Karten werden dann einfach woanders gespielt. Das Gelände ist eben ein Projekt, das ständig in Bewegung ist, sich dynamisch und spontan an neue Ideen, Nutzer und Anforderungen anpasst. So läuft das eben bei jemandem, der immer alles anders macht als eigentlich geplant.