Dabei hat sie schon den nächsten Schritt im Fokus. „Aktuell ist es so: Wir graben den Lehm aus, um Fundamente zu gießen, und zahlen, um den Lehm zu entsorgen. Mein Zukunftswunsch wäre, dass wir regionale Lehmfabriken haben, so wie Vorarlberg. Dort wird das Aushubmaterial der Region genutzt, indem man daraus Baublöcke macht, aus denen man Gebäude stapeln kann oder Lehmputz und Lehmziegel produziert.“
Anna Heringer belegt mit ihren Arbeiten, dass gute Architektur keine komplexen Strukturen braucht, keinen CO2-bindenden Beton, keine ressourcenverbrauchend gebrannten Ziegel, keine Bewehrung, keine intelligente Haustechnik. Dass sie wortwörtlich aus dem schöpfen kann, was ihr Fundament ist, der Boden, auf dem sie gebaut wird.
Lehm ist ein Baustein für die Häuser der Zukunft.
Und die müssen nachhaltiger, inklusiver, sozialer und flexibler werden. Dafür muss sich aber auch die Baukultur verändern. Denn aktuell ist das Material, das sich eigentlich kostenlos aus der Erde holen lässt, hierzulande teurer als Beton. Das liegt daran, dass Lehm viel Arbeitskraft braucht, in Europa eine kostenintensive Ressource. Und gerade in Deutschland gibt es viele Normen, Auflagen und Gesetze, die es dem Lehm (und den Lehmarchitekt*innen) derzeit noch schwer machen. Heringer appelliert an die Politik, CO2-sparende Baumaterialien zu fördern. Etwa, indem handwerkliche Leistungen nicht mehr so hoch besteuert werden, dafür aber Maschinen, die hunderte Arbeitsplätze ersetzen, endlich Sozialabgaben zahlen. Erst wenn die Materialien, die aufwendig produziert, verarbeitet und entsorgt werden müssen, auch realistisch teuer sind, schauen die Menschen sich nach Alternativen um. Es wäre auch eine Rückkehr zu den Wurzeln unserer Baukultur, die mit hyperlokalen Ressourcen begonnen hat. Und es ist die Art und Weise, wie Anna Heringer an jedes ihrer Projekte herangeht: „Was ist in meinem direkten Umfeld an Materialien vorhanden? Was habe ich in mir selbst, was in meinem Netzwerk und wie kann ich daraus etwas gestalten, unabhängig von externen Faktoren?“ Architektur, die sich aus dem Ort heraus entwickelt, hat für Anna Heringer eine besondere Kraft und Schönheit.
„Lehm ist ein Element wie Feuer und Wasser. Du fühlst dich in einem Gebäude aus Lehm einfach geerdet.“