-- K u n s t m ü h l e   R o s e n h e i m --

Leidenschaft für die gute Sache

Klaus Werndl hat in seinem Leben schon mehr Karrieren erfolgreich verfolgt, als üblicherweise in einem Lebenslauf Platz finden. Vom Möbelproduzenten wurde er zum Immobilienentwickler und Gründer der Quest.

Was ihn antrieb ist die Leidenschaft für die gute Mission und eine nachhaltige Entwicklung der Heimat. Im Gespräch erzählt er, wie Kraft aus der reinen Begeisterung für eine Sache entsteht – und warum es sich nur lohnen kann, industriellen Ruinen wie der Kunstmühle Rosenheim eine gute Zukunft zu schenken.­


 

Die alte Kunstmühle in ihrer ersten Blütezeit.


Herr Werndl, in Ihrem Leben haben unter anderem Möbel und Immobilien eine Rolle ­gespielt. Fangen wir bei den Möbeln an: Erzählen Sie uns etwas über die Geschichte der Büromöbel Werndl.


Büromöbel Werndl wurde 1896 in Rosenheim gegründet und war ursprünglich eine kleine Bau- und Möbelschreinerei, die langsam gewachsen ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg suchte die Besatzungsmacht Leute, die Büromöbel herstellen konnten. Mein Großvater bekam den Auftrag, tausend Schreibtische zu bauen, was zu seiner ersten Serienproduktion wurde. Von einer Schreinerei entwickelten wir uns zum Fertigungsbetrieb. 1959 hat mein Vater ihn übernommen, 1984 in vierter Generation mein Bruder Thomas und ich. 1998 haben wir die Entscheidung getroffen, die Firma nicht mehr an die nächste Generation weiterzugeben – einfach, weil sich die Verantwortung bei fünf Parteien zu sehr aufgesplittert hätte. Wir haben das Unternehmen verkauft – an den Möbelhersteller Steelcase.


Wie kommt man nach einem solchen Abschied zu einem unternehmerischen Neuanfang?


Das haben mich damals auch meine Freunde gefragt. „Was machst du jetzt?“ Und ich war erst einmal ratlos. Sie meinten: „Nenn dich doch Quest – das steht fürs Suchen.“ Das hat mir gut gefallen: die Idee, dass ich jetzt zu ­neuen Ufern aufbrechen darf. Wenig später habe ich den Bürgermeister in Rosenheim besucht und der hat mir die Kunstmühle als Immobilienprojekt angetragen, ein Wahrzeichen der Stadt, das damals dem Verfall preisgegeben war.


Den neuen Fokus auf Immobilien haben Sie sich sofort zugetraut?


Tatsächlich war der Bezug zu Immobilien schon vorher gegeben. Schon mein Großvater hat parallel zum Betrieb ein paar kleinere Immobilien gekauft. Auch mit der Idee, dass er finanziell nicht alleinig vom Schicksal der Firma abhängig sein wollte. An diesem Punkt war für mich nur die Frage, ob ich aus den Immobilien jetzt mehr mache.


Die Kunstmühle war als baufälliges Ensemble kein einfaches Einstiegsprojekt. Warum haben Sie sich dennoch dafür entschieden?


Wir haben vorher immer nur Neues gebaut. Ein denkmalgeschütztes und verfallenes Gebäude wirkte auf mich nicht unmittelbar attraktiv. Wir konnten dann aber eine Idee für den neuen Ort entwickeln, denn diese Gebäude sind voller Geschichte. Bei einer Begehung haben wir die Markierungen gefunden, die die Schreiner 1860 hinterlassen haben, als sie den Dachstuhl gebaut haben. In den Wänden waren alte Schraublöcher und Einkerbungen und wir haben historische Fotos entdeckt. Ich hatte das Gefühl, dass die Mauern und Materialien mit einem sprechen. Das hat mich sehr eingenommen. Weil es auch gezeigt hat: Erst die Geschichte eines Gebäudes macht es zum Wahrzeichen – und deshalb wert, es einer neuen Nutzung zuzuführen.


Wie waren die Reaktionen auf Ihren Plan, die Kunstmühle zu modernisieren?


Einige Rosenheimer hätten sich gewünscht, dass die Kunstmühle abgerissen wird. Denn die Wohnbebauung reichte damals schon bis an die Grundstücksgrenzen. Und so hat man eben angenommen, dass alles dem Erd­boden gleichgemacht wird und auch hier möglichst dicht Neubauten entstehen. Da hat das Landesamt für Denkmalpflege nicht mitgespielt und die Kunstmühle unter Schutz gestellt. Und wir haben uns mit dem Verstand und mit dem Herzen bemüht, das Gebäude zu erhalten und auch öffentlich zugänglich zu machen – etwa indem wir das ganze Erdgeschoss zu einer Gaststätte gemacht haben.


Was für ein Nutzungskonzept haben Sie vorgesehen?


Es war klar, dass die Kunstmühle ein Gewerbe- und kein Wohnprojekt ist. Es wäre auch nicht anders gegangen. Wenn man sich die Fensterflächen im Verhältnis zu den Raumflächen ansieht, dann reicht es nicht zum Wohnen. Außerdem hatten wir entschieden, dass wir die Kunstmühle nach der Modernisierung behalten und vermieten wollten. Mit den zukünftigen Nutzern haben wir uns über ihre Wünsche unterhalten. Es wurde darauf geachtet, dass wir insgesamt einen Ort schaffen, der als Adresse zur Visitenkarte werden kann. Heute sieht man, dass es gut funktioniert hat. Von den ansässigen Unternehmen bekommen wir das Feedback, dass die Kunstmühle nicht nur ein prägnanter Ort in Rosenheim ist, sondern dass sie auch stolz sind, an einem so repräsentativen Standort zu sitzen. Einige unserer Mieter sind Mieter der ersten Stunde.


Was trieb Sie an?


Wenn man nur mit der reinen Gewinnabsicht in ein Projekt geht, dann hat man schon verloren. Wir wollen die Menschen begeistern und überzeugen. Dadurch wächst Vertrauen – und man muss auch nicht der Günstigste sein. Das galt für alle Projekte, ob wir Möbel produziert haben oder Immobilien entwickelt. Wann immer mir Leute sagen: „Das haben wir schon immer so gemacht“, stehen mir die Haare zu Berge. Ich glaube an die Treibkraft der Innovation.


Welche besonderen Plätze bietet die Kunstmühle?


Es gibt den Turm, den wir offen gehalten haben. Wenn man die spiralförmige Treppe bis ganz oben hinaufgeht, kann man bis auf die Berge und in die Stadt Rosenheim hineinblicken. Für mich persönlich ist das Restaurant Giuseppe ein wichtiger Ort, den es in der Kunstmühle seit 2020 gibt. Als die vorherigen Gastronomen aus dem Erdgeschoss ausgezogen sind, habe ich Giuseppe Tedesco gefragt, ob er nicht einsteigen will. Uns verbindet eine lange Freundschaft – wir haben in Kolbermoor in der Spinnerei viel zusammen aufgebaut. Und so haben wir uns gemeinsam entschieden, das Café und Restaurant in der Kunstmühle ganz neu zu gestalten – inklusive eines spektakulären Mosaiks. Was auch so ein Leidenschafts-Projekt war: Ich hatte von den italienischen Mosaik-Handwerkern gehört – und wollte mir das immer mal anschauen. Gemeinsam mit Giuseppe bin ich also runtergefahren. Ganz schnell haben wir uns entschieden, dass ein Mosaik das freudige Element sein könnte, das wir gern als besonderes Highlight für das Interieur eines italienischen Restaurants hätten. Das Restaurant ist jeden Morgen meine erste Anlaufstelle.


Woher kommt Ihre Leidenschaft für so viele Dinge?


Für mich bedeutet Leben, jeden Tag Probleme zu lösen. Ich war immer mittendrin. Ich habe mich bei der politischen Entscheidungsfindung eingesetzt, war in Kontakt mit den Handwerkern und habe mich ins Kaufmännische eingearbeitet. Ich habe festgestellt, dass es immer etwas zu lernen gibt. Vor allem gelernt habe ich in den letzten Jahren Respekt, vor den Handwerkern von früher und vor denen, mit denen ich heute noch arbeite.



Welche Überraschungen haben Sie schon auf Ihren Baustellen erlebt?


Einmal kamen die Handwerker zu mir und sagten: „Herr Werndl, wir haben ein Gewölbe entdeckt.“ Als wir uns das angeschaut haben, war da zwar ein Keller, der war aber komplett zugemüllt. Wir haben also einen kleinen Bagger besorgt und erst einmal den Raum freigelegt, von dem keiner vorher etwas geahnt hatte. Wegen solcher Erlebnisse sind historische Gebäude für mich zu einer Leidenschaft geworden.


Die „Ruhe“ im Ruhestand ist nichts für Sie?


Meine Frau fragt mich oft: „Warum bist du immer auf der Suche?“ Und ich glaube, dass in allen Lebensbereichen gilt: Du musst dich immer weiterentwickeln. Das hört für mich nicht einfach auf. Aber ich gebe meine Verantwortung gern an vertrauensvolle Menschen ab. Dann ziehe ich mich raus und genieße durchaus, dass diese Last von meinen Schultern genommen wird. Ich sehe all die Projekte wie eine wunderbare Reise. Hinterher ist man dankbar und glücklich, dass man diese Reise gemacht hat.