NICHT OHNE DIE BÜRGER
Wer sich heute im Spannungsfeld von historischem Ortskern und dem neu gebauten Wohnviertel bewegt, wer den Bürgern beim gemeinschaftlichen Gärtnern zuschaut oder autofrei zwischen Häusern und Wiesen zu einem unter einem grünen Hügel gut verborgenen Supermarkt schlendert – der ahnt kaum, dass es in dieser Idylle vor fünfzehn Jahren noch ordentlich krachte. Damals war die Ortsmitte die Klosterwiese.
Fünf Hektar lagen hier unbebaut
als Teil des Klosters Weyarn brach –
und boten die einzigartige Chance,
den Ort von innen heraus zu
entwickeln.
Doch unter den Bürgern formierte sich Widerstand. Manch einer fürchtete den Strukturwandel oder den Verlust der Aussicht. Andere wollten keinen Lärm, die Wiese als Kulturlandschaft erhalten oder schlichtweg keine Veränderung. Ein Bürgerbegehren wurde ins Leben gerufen. Mit ihm sollte die Bebauung des Angers verhindert werden. Doch am Ende setzten sich die Befürworter des Bauvorhabens durch. Als es dann mit dem Architekten Andreas Leupold und der Gemeinde in die Planung ging, hatte man aus der jüngsten Geschichte gelernt. Für alle war klar: Es geht nicht ohne die Bürger.
MUT ZUM WANDEL
Das sogenannte „Weyarner Modell“ holt seit mittlerweile drei Jahrzehnten die Bewohner als Mitentscheider für die Dorfentwicklung an Bord. Jeder ist eingeladen, sich an politischen Prozessen zu beteiligen. Mit großer Resonanz. Arbeitskreise wurden gegründet, Diskussionsrunden und Workshops veranstaltet und immer wieder stellten sich alle die eine wichtige Frage: Wie soll unsere Heimat in der Zukunft aussehen?
Die Bürger wünschten sich, dass Weyarn zu einem Ort wird, der für alle Generationen attraktiv ist. Für junge Singles, die kleine Apartments suchen. Für Senioren, die ihre viel zu groß gewordenen Eigenheime aufgeben wollen und eine barrierefreie Wohnung brauchen. Für Familien, die viele Räume, einen Garten und Anschluss an die nahe Großstadt suchen. Und für die „Ausheimischen“. So nennen die Ortsansässigen in Weyarn diejenigen, die im Dorf aufgewachsen sind, zum Studieren oder Arbeiten in die Stadt gezogen sind und dann zur Lebensmitte mit ihren Familien in ihre Heimat zurückkehren wollen.
So wurden für die Familien 45 Reihen- und Doppelhäuser geplant – und für alle anderen stehen sieben Mehrgenerationenhäuser mit insgesamt siebzig unterschiedlich großen Wohnungen zur Verfügung. Dabei wurde mit barrierefreien Wohnungen und verschieden großen Grundrissen bei den Wohnungen für ein breites Angebot gesorgt – und gleichzeitig durch die Lage am Ortskern die Teilnahme aller hier lebenden Bewohner am Dorfleben gefördert. Auf dem Anger wäre Platz für mehr gewesen. Aber: Eine dichtere Bebauung hätte die Freiflächen reduziert – und gerade die sollten als Raum für alle erhalten werden.